Siegfried Behrend: Stationen

Plakat: meist öffentlich angebrachter Anschlag aus dem Bereich des Graphik-Design. Die werbende Absicht fast aller Plakate verlangt, dass Zuordnung von Bild und Text sowie die farbliche Gestaltung für die Vorübergehenden auffällig, ansprechend, schnell faßlich sind; auch soll es in der Erinnerung haften bleiben. (nach: Der grosse Brockhaus)
In  Zeiten  hektisch bewegter Fernsehbilder, der HTML – Seiten des Internets und der aufdringlichen Videoclips, ausgefeilter Marketing- und Kommunikationsstrategien mit alle ihren „Events“ und der überwältigenden Medienvielfalt wirken Plakate als Mittel der Werbung für Konzertveranstaltungen schon fast wie ein Relikt vergangener Zeiten. Schade!

Schade deshalb, weil die Gestaltung von Plakaten dazu zwingt, die Botschaft knapp und präzise an den Adressaten zu bringen: nicht bewegte Bilder - mit Musik und Text untermalt - oder Anzeigenserien in vielfacher Wiederholungsfrequenz sollen die Auf-merksamkeit des potentiellen Publikums erwecken, sondern Plakate müssen Blickfang und kurzgefasstes Informationsmedium gleichzeitig sein: Wer? Was? Wo? Wann?

Deshalb, weil sie nur auf einen festen (Zeit-) Punkt hin ausgerichtet sind und jeweils ein Unikat: Konzertplakate weisen auf das eine musikalisches Ereignis in einer Stadt hin, auf nichts mehr.
Deshalb auch, weil sie immer schon auch ein Mittel künstlerischer Gestaltung waren, es sei in diesem Zusammenhang nur an die Plakate  eines Andy Warhol oder eines Toulouse – Lautrec  erinnert, die heute noch als Kunstwerke in den Museen der Welt bewundert werden.

Plakate sind aber zugleich ein stilistisches Zeugnis ihrer Zeit; geben Auskunft über die „Wichtigkeit“ des Beworbenen und sie spiegeln die Möglichkeiten - auch die finanziellen ihrer Auftraggeber oder Autoren - wider. Von der einfachen, selbst gestalteten  Information im Schaukasten des Veranstaltungsortes bis hin zu breit angelegten Kampagnen für musikalische Großereignisse: eine reiche Palette mit einer riesigen Gestaltungsvielfalt.

Es gab und gibt immer wieder  Werkschauen von einzelnen Plakatkünstlern wie John Heartfield, Andy Warhol oder Klaus Staeck  und themenorientierte  Ausstellungen wie  „Werbeplakate“, eine Rarität aber ist eine Ausstellung von Plakaten eingerichtet worden, in der Plakate zu Bewerbung eines Produkts, in diesem Fall eines Künstlers gezeigt werden.

Die Ausstellung „Stationen“  zeichnet den Werdegang des musikalischen Welten-bummlers Siegfried Behrend anhand seiner Konzertplakate nach, angefangen bei den ersten Versuchen des noch 17-jährigen Künstlers, in der entbehrungsreichen Nachkriegszeit mit teilweise graphisch eigenwillig selbstgestalteten Plakaten auf sich aufmerksam zu machen und der ersten Erwähnung auf Konzertankündigungen eines Zupforchesters als Gitarre - Solist.

Dann die Arbeit an der komischen Oper in Berlin und die Zusammenarbeit mit der Tänzerin Ilse Meudtner zu Beginn der 50-er Jahre; die ersten Erfolge werden dadurch deutlich, dass der Name Behrend immer größer erscheint.

Dann der Weg zum Zenit des Erfolgs mit großflächigen Plakatgestaltungen und entsprechend großen Lettern für Behrend allein, zusammen mit der Sängerin Belina oder mit seiner Frau, der Schauspielerin Claudia Brodzinska. Plakate, die oft genug tausende von Menschen in die Konzertsäle dieser Welt einluden.

Dann – in seine letzten Lebensjahren und auf den  Abbildungen schon von  Krankheit gezeichnet, zusammen mit seinen ehemaligen Schülern Martin Krüger und Michael Tröster – im Duo; auf dem letzten Plakat erstmals ohne eine eigene Gitarre.

Beachtenswert ist besonders in den konservativen 60-er Jahren die ungewöhnliche Darstellung Behrends als Interpret klassischer Musik: zu Zeiten, als sich andere Künstler zumindest im schwarzen Frack und in kunstvoller Pose ablichten ließen,  zeigte sich der eigenwillige Gitarrist im einfachen schwarzen Mantel oder im Rollkragenpullover inmitten des Großstadtgetümmels, oft genug lässig mit einer Zigarette im Mundwinkel.

So wie die Konzertveranstaltungen und Behrends musikalischer Stil  sind konsequenterweise auch die Plakate der 60-er und der frühen 70-er Jahre gestaltet.

Die Beschränkung auf das Wesentliche im Bühnenbild – oftmals nur ein Stuhl vor schwarzem Hintergrund, angestrahlt von einem einzigen Scheinwerfer -, das schnörkellose, unromantische und partiturorientierte Spiel des Künstlers mit leidenschaftslosem, fast gleichgültigem Gesichtsausdruck, der Verzicht auf überflüssige Show-Mätzchen,  spiegelt sich  in der plakativen Gestaltung wider: sachliche, existenzialistisch anmutende schwarz-weiße Graphiken, die sich teilweise nur auf die Darstellung der Umrisse beschränken, mit kurzen, knappen Informationen zum musikalischen Geschehen. Authentizität nicht nur im konzertanten Spiel und in der Behrend – typischen Aufnahmetechnik der Schallplatte, sondern auch in der Ankündigung seines Tuns.

Gegen Ende der 60-er Jahre wandte sich der vielseitige Künstler zunehmend auch der  neuen Musik – der Avantgarde – zu: die entsprechenden Konzertankündigungen passten sich  in der graphischen Gestaltung stilistisch auch hier den musikalischen Inhalten an.

Von den fünfziger Jahren bis zum Beginn der neunziger: eine immens lange Spanne internationaler künstlerischer Präsenz, die sich in den jeweiligen Konzert-ankündigungen widerspiegelt.

Wir haben versucht, aus den einigen hundert uns vorliegenden Plakaten zu den Konzerten Behrends einen möglichst repräsentativen Querschnitt herauszusuchen – sowohl unter zeitlichen als auch unter inhaltlichen Aspekten.

Parallel zu den Plakaten werden in der Ausstellung chronologisch zugehörige Bühnen- und Privatfotos des Künstlers zugeordnet, um die enge Korrespondenz zwischen Plakat- und Bühnenerscheinung zu verdeutlichen.

Die meisten Daten ließen sich naturgemäß sehr einfach ermitteln, sind sie doch auf den jeweiligen Plakaten aufgedruckt.

In Fällen, in denen nur das Datum, nicht jedoch das Jahr angegeben ist, wurde die Jahreszahl einerseits durch Abgleich von Datum und Wochentag, andrerseits durch den Standort in der chronologisch sortierten Originalsammlung Behrends ermittelt.

Bedingt durch das Druckverfahren können die Abbildungen nur in schwarz-weiß wiedergegeben werden – was in den meisten Fällen dem Original entspricht. In Fällen farblicher Gestaltung der Plakate werden die jeweils verwendeten Farben vermerkt. Sofern nicht anders angegeben handelt es sich um Siebdrucke.